Ein Urteil mit Folgen: Lösungen suchen, aber nicht in Panik verfallen

14. Juli 2024

Das jüngste Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zu Freelance-Piloten hat Besorgnis unter Luftfahrzeugbetreibern ausgelöst, doch es ist wichtig, Ruhe zu bewahren und die Situation sachlich zu betrachten. Das Urteil ist spezifisch auf den vorliegenden Sachverhalt zugeschnitten und muss daher als Einzelfallentscheidung interpretiert werden. Dass ein eigenes Betriebsmittel ein Kriterium für die Beurteilung einer abhängigen Beschäftigung darstellt, ist nicht ungewöhnlich – ebenso wie die Tatsache, dass der betroffene Flugkapitän regelmäßig für den Auftraggeber geflogen ist. Laut Gesprächen mit Juristen aus unserem Verband hat der Staat ein großes Interesse daran, möglichst viele Mitarbeiter in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zu sehen. Daher sind die Spielräume für selbstständige Piloten durch den Gesetzgeber begrenzt.

Für Auftraggeber und Freelance-Piloten gilt es nun, gründlich zu überlegen, wie die vertragliche Zusammenarbeit in Zukunft gestaltet werden kann. Es existieren Lösungen, die in dieser Situation helfen können.

1. Die Ausgangslage
In der gewerblichen Luftverkehrsbranche war es bis jetzt gängig, dass Piloten auf Freelancer-Basis als selbstständige Unternehmer eingesetzt wurden. Besonders häufig kam dieses Modell bei Flugschulen zur Anwendung, die die fliegerische Grundausbildung (PPL, IFR, ATPL) mit Freelancern durchführen. Ähnliches gilt für Simulatortrainings zur Ausbildung und Fortbildung von Piloten.

Obwohl die Risiken der Scheinselbstständigkeit in diesem Kontext bekannt sind – insbesondere die Haftungsrisiken durch Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen – ging das BSG in einem Urteil von 2008 (BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R) davon aus, dass eine „echte“ Selbstständigkeit für Piloten durchaus möglich ist.

Ein Urteil des hessischen Landessozialgerichts (vom 29. September 2022 – L 8 BA 65/21) sorgte jedoch für Verwirrung, indem es feststellte, dass eine freiberufliche Tätigkeit nur vorliegen könne, wenn der Pilot sein eigenes Flugzeug für die Flüge verwenden würde. Andernfalls würde er kein wirtschaftliches Risiko tragen, was gegen eine selbstständige Tätigkeit spräche.

2. Die Entscheidung des BSG
Das Bundessozialgericht hat mit seiner Entscheidung vom 23. April 2024 (B 12 BA 9/22 R) diese Rechtsauffassung des hessischen Landessozialgerichts bestätigt. Der Tenor besagt, dass die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung des Piloten bei dem Unternehmen überwiegen. Entscheidende Faktoren waren dabei, dass der Pilot im Rahmen der Vertragsdurchführung keine wesentliche unternehmerische Freiheit zur Gestaltung seiner Tätigkeit hatte und das für die Dienstleistung erforderliche Flugzeug kostenfrei vom Unternehmen bereitgestellt wurde.

3. Auswirkungen der Entscheidung
Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Das Haftungs- und Compliance-Risiko für Unternehmen beim Einsatz von selbstständigen Piloten ist durch die veränderte Rechtsprechung erheblich gestiegen. Auftraggeber müssen nun umgehend überprüfen, ob das Freelance-Modell weiterhin tragfähig ist und welche Auswirkungen es auf vergangene Tätigkeiten hat.

Es bleibt abzuwarten, welche Möglichkeiten zur Gestaltung der Zusammenarbeit mit Freelance-Piloten in Zukunft bestehen werden. Derzeit ist jedoch klar, dass jede Form der Zusammenarbeit mit einem bestehenden und kalkulierten Haftungsrisiko verbunden ist.

Ein weiteres potenzielles Problem könnte die Abwanderung von Flugschülern zu ausländischen Flugschulen sein, wenn die Preise aufgrund der neuen Rechtslage steigen.

Fazit

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts verdeutlicht die Notwendigkeit, Lösungen zu finden, ohne in Panik zu verfallen. Auftraggeber und Freelance-Piloten sind gefordert, die vertragliche Zusammenarbeit neu zu denken und anzupassen. Es gibt Chancen, die Situation zu meistern, wenn alle Beteiligten proaktiv handeln.

Kontakt:

Andreas Mundsinger – Geschäftsführer
German Business Aviation Association e. V.
Georg-Wulf-Straße 2
12529 Schönefeld
Telefon: +49 152 59522812
Mail: ceo@gbaa.de

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